Takashi UEMURA
Die Stadt Onomichi liegt am nördlichen Teil des Seto-See's, welcher sich in der Mitte der Chûgoku-Provinz (Bingo) befindet. Die Stadt war früher für den Schiffbau- und die Schifffahrtsindustrie berühmt, aber der Ruhm ist nun schon eine vergangene Sache: Sie ist zurzeit ein winziger Ort mit vielen Okonomiyaki- und Nudelläden. Abgesehen von der kulinarischen Reise, diese Stadt ist trotzdem sehr attraktiv für jeden, der sich für Kunst und Literatur interessiert. Sie können die Stadt für Suche nach Malerei oder nach einer Novelle bereisen, oder dort bleiben. Ich möchte doch so mutig sein, dass ich sagen kann, dass man dort eher ein sanftes Gefühl erhält, als ob man dort wohnt. Nämlich, das Schlagwort der Stadt lautet: Eher Wohnen als Übernachten.
Ankunft in Onomichi
Als der gelbe Zug nach Mihara fuhr, sah ich aus dem linken Fenster die Meeresstraße von der Stadt Onomichi. Das Meerwasser war manchmal blau wie Saphir, und manchmal grün wie Emerald. Das war eindrucksvoll, aber die anderen Leute haben keinen Bock darauf, die Schönheit der Natur im Blick zu halten, denn die Szene war üblich für die anderen Fahrgäste.
Nach wenigen Minuten kam ich am Onomichi Hauptbahnhof an. Der Bahnhof liegt im Stadtzentrum, wo im Süden davon ein Busterminal existiert. Das Busverkehrssystem hier ist sehr praktisch, allerdings, man muss im Voraus Bescheid wissen, welcher Bus wohin fährt. Trotzdem ist das Zentrum genug klein, um ohne Bus eine Stadtführung durchzuführen.
Ich kam erst um 13 Uhr in der Stadt an, weshalb ich schon Hunger hatte. Ich wusste schon, dass die Stadt Onomichi für die eigene Nudelsuppe (Onomichi-Ramen) berühmt war, und es gab einen Nudelstand an jeder Ecken. Ich war zweimal im Ruhrgebiet und einmal in Berlin gewesen, aber dort gab es nicht so viele Imbisse wie hier. Das heißt nur, Onomichi ist zwar kleiner als die beiden deutschen Städte, aber die ganzen Stadtelemente sind im Zentrum so konzentriert, dass sich die Wahrscheinlichkeit zur Begegnung erhöht.
Ich fand einen Laden (Ramen-Tani) ganz in der Nähe vom Hauptbahnhof. Dort kaufte ich mir eine Schüssel Nudelsuppe für 600 JPY (ca. 4 EUR). Ich fand das Angebot sehr günstig. Die Suppe kam schnell. Niemals habe ich einen solchen schnellen Service in anderen Orten erlebt!! Dann bekam ich allmählich ein besonderes Gefühl, als ich die Suppe aß. Die Suppe fand ich am Anfang nicht signifikant, aber ich fühlte mich Zuhause. Gleichzeitig hatte ich den Eindruck, als ob der Laden meine Küche geworden wäre. Danach fühlte ich mich in der Stadt Onomichi wie Zuhause. Das war kein tolles Gefühl, was ich zum Beispiel in Italien hatte, als ich dort Urlaub gemacht hatte. Es war auch kein unvergesslicher Moment, was ich in China hatte. Aber es war eben für mich ein wunderschönes Gefühl, was ich in den anderen Orten nicht bekommen konnte. Das war einmal keine normale Reise wie immer!! Deswegen wollte ich empirisch mehr über die Stadt lernen.
Wie sich der Wind an der Hafenstraße hob
Nachdem ich im Laden gegessen hatte, kam ich heraus, und lief zum Hafen ganz in der Nähe. Onomichi war früher für die Schiffbauindustrie bekannt, aber am Hafen fand man nichts besonders. Es gab nur einen Hafen mit einer Fischerei. Plötzlich blies der Wind am Hafen und ich ahnte, er brachte mir neue Informationen zu der treuen Atmosphäre von Onomichi.
Ich saß auf einem Wellenbrecher. Ich sah auf die See und die Schiffe. Der Küstenwind brachte einen feinen Geruch nach Meer und eine sanfte Atmosphäre der Gemütlichkeit, als ob er zu Ruhezustand einlud:
„Bleib nur bei mir, du Geselle, hier findest du deine Ruhe“.
Merkwürdig fand ich dieses Gefühl, weil man normalerweise bloß hervorragende Sehenswürdigkeiten besichtigt. Dieses Gefühl der Gemütlichkeit. Zum Beispiel, ich sah einen alten Mann angeln an der Küste. Niemand wird emotional bei dem Anblick von einem alten Mann, der nur Fisch fängt. Aber er war für mich ein Symbol vom alltäglichen Leben. Ich überlegte mir, welche Fische er angeln konnte. Er war dort, um ein tägliches Erlebnis zu machen.
Dann sah ich eine Gruppe von Jugendlichen, die sich am selben Ufer versammelten und sich miteinander unterhielten. Ich bemerkte, dass sie draußen sind um zu „Faulenzen“. Aber diese Erkenntnis war zu einseitig, weil ich es ganz natürlich fand, sich nach der Schule zu Hause auf den nächsten Unterricht vorzubereiten.
Der Wind erzählte mir, dass ich nichts Eigenartiges denken sollte, sondern mich nur „andersartig“ fühlen sollte; da ich neu und ungewiss nach Onomichi gekommen war, musste ich ja alle Begegnungen und Erscheinungen respektieren. Der Wind sprach ganz anders als in meiner Stadt.
Am Wellenbrecher gab es einen Kai, auf dem man sich setzen und den Sonnenuntergang gut im Blick halten konnte. Die Schiffe darum schwebten im Rhythmus der Wellen. Auf dem Kai spielten ein paar Kinder, die sehr glücklich aussahen. Die Kinder haben sicherlich keinen Bock darauf den Sonnenuntergang zu sehen, weil sie sich auf das Spiel konzentrierten. Das war ein Yûgiô-Kartenspiel, ein Kampfspiel mit Kärtchen. Es erinnerte mich an meine Kindheit, wo ich heimlich in der Schule mit diesen Kärtchen gespielt habe.
Und, der Wind hob sich dann wieder. Diesmal versuchte ich ihn etwas zu erzählen und ihn zu hören. Schon freute ich mich darauf, was er mir Bescheid gibt, wobei ich es nicht akustisch, sondern durch mein Herz hören musste. Trotzdem antwortete er mir nicht.
Am Anfang war ich sehr enttäuscht, aber er las mich nachdenken, was das Leben in Onomichi wohl überhaupt war. Ich wusste nur, dass ich ernsthaft nachdenken muss, was es überhaupt bedeutete, hier zu leben. Die erste Begegnung zum echten Verständnis der Stadt fand ich beim Lesen des Stadtslogans : Eher Wohnen als Übernachten. Ich fand dann einen neuen Reisestil. Wir können auf YouTube etwas über die Stadt Onomichi erfahren, aber wir lernen niemals etwas über die Gefühle der Stadt.
Kunsttempel und Literaturgasse
Ich kam bei meiner Unterkunft an. Die war in der Nähe vom Hafen. Sie war ein Guesthouse , ein japanischer zweistöckiger Altbau aus Holz, dessen größtes Fenster sich nach Süden richtete. Im Norden des Gebäudes gab es ein altes Holzhäuschen, wo sich die Rezeption befand. Der Besitzer hatte dort auf mich im Häuschen mit einer Tasse Kaffee gewartet, und sagte zu mir „Herzlich willkommen“. Das war ein schöner und herzlicher Empfang.
„Das Haus ist 100 Jahren alt“, sagte der Besitzer, „wir haben neulich vor einigen Jahren selber renoviert.“ Es war eine Überraschung, dass er selbst für die Renovierung investiert hatte und ein Kaffeehaus und eine Unterkunft geöffnet hatte. Die Übernachtungsgebühr war nur 2.800 JPY (ca 20 EUR) für ein Bett. Es war sehr günstig.
„Was bist du von Beruf?“, fragte er. Ich erzählte ihm meine Berufsgeschichte und erwähnte, dass ich seit langem mit Deutschland und mit der deutschen Sprache und Kultur zu tun hatte. Erstaunt öffnete er seine Augen und sagte zu mir: „Ich war ein Jahr in Berlin, und habe noch Kontakte in Leipzig!!“ So ein Zufall, dass ich einen Mann, der in Berlin war und etwas über Deutschland wusste, kennenlernen konnte. Außerdem wusste er viel über die Kunstszene in Onomichi. Er empfahl mir einen Tempel zu besuchen.
Dort gab es ein Event der gegenwärtigen Musik und interaktiven Kunst. Ich wunderte mich, warum das laute Musikevent inmitten der stillen Stadt mit bunten Lampen ermöglicht worden war.
Um 8 Uhr am Abend, nachdem ich eine Schüssel Nudelsuppe gegessen hatte, lief ich zum Veranstaltungsort. Der Ort sah aus ein normaler und geschmacksloser Tempel. Aber, als ich das Shôji erblickte, bemerkte ich, dass das Licht hinter dem Shôji-Papier. Dies fand ich merkwürdig, deshalb ich neugierig die Tür öffnete. Das war eine mutige Entscheidung.
Im Tempel schrie ein Mönch mit lauter Stimme etwas Unverständliches. Buntes Licht leuchtete sehr stark, welches mir zu hell war. Instrumente, wie Gitarren, Schlagzeuge und Gongs wurden sehr laut gespielt, sodass ich mit niemandem sprechen konnte. „Ist das wohl eine Art von Musik?“, dachte ich. Das war kein Klassiker, kein Schlager oder kein üblicher Musiker; bloß unangenehme Töne und Lichte beherrschten den Raum. Ich wollte sofort vom Tempel wegrennen.
Aber bald bemerkte ich, dass es eine Sehenswürdigkeit war. Bald war mir bewusst, dass diese Livemusik und Interaktion mit Lichtkunst die eigene Welt zeigte. Das kleine Fest war zum Schluss sehr eindrucksvoll. Ich hatte nie gedacht, dass eine winzige Stadt solche starke Kraft hat.
Ich brauchte einen Moment, um vom Trancezustand zum Normalen zurückzukommen. Ich brauchte eine Dose japanisches Sake, um bessere Ruhe zu bekommen.
Der Nachklang der Musik dauerte eine Stunde lang. Ich denke, dass so ein Erlebnis etwas besonders war. Trotzdem war dieses Erlebnis so unerwartet, dass ich es damals einfach nicht kategorisieren konnte.